Wer kennt das nicht? Da beginnt schon wieder ein Blog-Artikel mit “Wer kennt das nicht?”. In einem Blog, auf dem es keinerlei Werbung gibt. Werbefreie Webseiten, das kennt nicht jeder. Unser allerliebstes Internet ist in diesen Tagen eine Erweiterung der Straßenbahnwerbetafeln, Großflächenplakaten und Flyerhaltern in Kaufhallen geworden. Kaufen, in-Anspruch-nehmen, Geld ausgeben um zu sparen – Werbung ist gang und gebe, ob nun unverblümt offen oder als Schleichwerbung auf Videoportalen á la YouTube: durch mich genauso ungeliebt, wie bei den betagten Familienmitgliedern in meiner Nachbarstadt.

Während die Senioren, auf welche ich mich damit beziehe, sich eher über ellenlange Werbepausen im Abendprogramm der Privatsender aufregen, um in der genannten Unterbechung den Müll mit den Werbebeilagen aus der Zeitung zur Tonne zu bringen, affektiert mich die überall aufblitzende Bannerwerbung überall im Netz eher. Einfliegende, blinkende – und knallbunte – Tafeln, bei denen ein Klick auf das kleine “x” in der rechten oberen Ecke zwar zum Schließen führt, teils aber einen neuen Tab mit unerwünschtem Inhalt gebärt, sind neben den immer noch nicht ausgestorbenen Pop-Ups der Hauptgrund, weshalb ich die Reißleine gezogen habe und AdBlock Plus, das angeblich am häufigsten genutzte Tool für diesen Zweck, einfach in freier Selbstbestimmung installiert habe. Einfach so. Ohne zu fragen.

Das findet man offenbar bei diversen Verlagen, allen voran Axel Springer, nicht ganz so toll wie ich – und sperrt kurzerhand alle AdBlock-Nutzer aus, mit der Ausnahme, man könne ja knapp 3€ im Monat zahlen. Mein Interesse an der vierbuchstabigen Zeitung hält sich in sehr überschaubaren, engen Grenzen, weshalb mir das im Prinzip erstmal nicht zu schlaflosen Nächten verhelfen sollte. Die Herren in Berlin sehen das aber anders: Eyeo, der Anbieter von AdBlock Plus, ist schuld am fehlenden Umsatz. Und das muss korrigiert werden. Also – wir sind ja in Deutschland – wird Eyeo kurzerhand verklagt. Ergebnis: Schuldig, aber auch nicht. Erfolg für Springer: Eyeos Praxis, Geld von Firmen zu nehmen und im Gegenzug deren Werbung (…wenn sie denn bestimmten Richtlinien genügt) trotz AdBlock anzuzeigen, ist laut Gericht eine “unzulässige aggressive Praktik”. AdBlocker aber, so meint das Gericht, sind per sé nicht ungesetzlich, da es ja eine Entscheidung des Nutzers sei, AdBlocker zu installieren und Springer selbst nicht gezielt durch Eyeo benachteiligt werden würde. Springer möchte gern damit noch vor den BGH.

Nun kommt Bewegung in die Sache, denn auch die Politik ist auf einmal an der Thematik interessiert. In einem Bericht der zuständigen Kommision heißt es, dass es einen Workshop gegeben habe – unter Teilnahme von:

Vertretungen der Organisation der Mediaagenturen (OMG e.V.), der Omnicom Media Group Germany GmbH, des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), der ARD, der Geschäftsführer der ZDF Werbefernsehen GmbH, der AG Privater Rundfunk (APR) sowie der Anzeigenchef eines Verlags.
Großartig. Da ging es bestimmt ganz ausgeglichen daher, da ja auch die Pro-AdBlocker-Fraktion bestimmt gut vertreten war…
Noch besser wird es erst an dem Punkt, wo man den Rechtsstaat mit seinen Gerichten gleich mal ignorieren will:
Die Medienunternehmen forderten vor diesem Hintergrund ein generelles gesetzliches Verbot von Ad-Blockern. Das Abwarten höchstrichterlicher Rechtsprechung […] wurde von ihnen als nicht zumutbar betrachtet.
Na klar! Ihr, liebe Medienunternehmen, werdet mir Werbung vorschreiben. Find’ ich super! Endlich gebe ich die Hoheit über meinen Computer ab und die Benutzung eines kleinen Erweiterungprogramms meines Browsers wird zur Rechtswidrigkeit. Dass es aus wirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar ist, AdBlocker nicht zu mögen, stelle ich außer Frage. Weshalb dann aber ein Programm verbieten wollen, welches ich auch außerhalb dieser Medienportale nutzen kann und auch möchte? Ein paar Nachrichtenseiten bedeuten nicht das Internet, auch wenn sich das mancherlei Gewerbe vielleicht wünschen würden.
Nicht zuletzt spielt auch die Werbeindustrie eine gewisse Rolle: Während ich mit dezenter Textwerbung, die vielleicht noch thematisch zur Webseite passt, keinerlei Probleme habe, schaffen es die Werbemacher immer wieder, den gemeinen Nutzer mit bereits genannten Problemvarianten der Verkaufsanregung auf die Palme und allerlei andere Bäume zu treiben. Wen wunderts also, dass ich ganze bildschirmlange Randstreifen, die mit einem Werbeanbieter verlinkt sind und rhythmisch ihren Inhalt ändern, ablehne?

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert