Morgendliche Intelligenzabstinenz, ganz alternativ

Vorwarnung: unter Umständen ironiegeladener als sonst.

Mir wäre unklar, was für eine Blutdrucksteigerung sorgen sollte, wenn die Existenz der intelligenzpausierenden Wesen in meiner Umwelt nicht gegeben wäre. Einem Großteil derer, deren Verhalten ich für äußerst kritikwürdig halte, möchte ich gar keine grundsätzliche Beschränktheit unterstellen – nur setzt scheinbar der Verstand häufiger mal aus. Ein kleines Beispiel aus der Praxis:

Früh, Punkt 8, Hauptbahnhof. Letzter Wagen in der S-Bahn, abwartend auf die Weiterfahrt nach dem kurzen Anschlussaufenthalt inklusive guter Einsehbarkeit des trist-grauen Nichtraucherbahnsteigs mit viergeteilten Müllbehältnissen. Eine Gruppe jugendlicher Südländer, um die 20, scheinbar mit Zustiegsabsicht, befinden sich rauchend auf dem Nichtraucher-Bahnsteig. Wenngleich sich die 5 Personen vermutlich befreundet bekannt sind, betreten sie die S-Bahn getrennt. Der in Nike-Sporthosen und eine von eben dieser Marke produzierten Jacke gekleidete junge Herr steckt lässig im Gehen seine Zigarettenschachteln ohne aufgedruckte Schockbilder in die Brusttasche seiner Funktionskleidung, während sein vermutlicher Landsmann auf dem Bahnsteig seine Zigarette lieblos auf dem Mülleimer ausdrückt und anschließend über dem Mülleimereinwurf für Papierreste der Gravitationskraft überlässt. Als ob nichts wäre, betritt er gemeinsam mit den restlichen drei Personen die S-Bahn. Wie kann man so fahrlässig agieren? Es wird mir auf ewig unklar bleiben.

Viel interessanter, als ihre Herkunft oder ihr Umfeld ist aber deren Auftreten: Jogginghosen, Markenklamotten, demonstrative Lässigkeit. Welche Wahrnehmung sie damit provozieren möchten, lässt sich mir leider nicht erschließen. Nun sind inhalierende Nikotin-Konsumenten im Prinzip für einen leidgeprüften ÖPNV-Zwangsnutzer wie mich nicht unbekannt; ab elf Uhr in später Nacht sollte man sich auf die Anwesenheit derartiger Gestalten auch innerhalb von Straßenbahnen einstellen.

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Gib mir meinen Glauben, und lass das Licht aus

Die Menschheit braucht ihre Illusion, und auf keinen Fall darf da irgendeine Entzauberung stattfinden – ab dann wirds ungemütlich. Selbst wenn man nicht wie der Schriftsteller Charles Bukowski, der von der anderen Seite des großen Teichs kommt, gleich im ganzen Leben eine durch Alkoholmangel hervorgerufene Illusion sieht, lässt sich der Illusionsversuch spätestens im Privatfernsehens-Vorabendprogramm nicht mehr leugnen. Wo dann gleich echte Einsatzkräfte auf Basis von echten Fällen handeln, und dann eine geschlagene Stunde Tatütata, Tränendrüsenstimulation und künstliche Stressübertragung auf den Zuschauer folgen. Dass die Einsatzkräfte echt sind, mag sein, immerhin kann man sie theoretisch anfassen; es sind ja keine Computeranimationen. Das sie auch nur annährend im realen Fall verwickelt waren, ist nicht bestätigt; ebensowenig dass der Drehbuchautor nicht die Basis des Falls als Einladung empfunden hat, bildlich gesprochen einen sehr überhängenden Aufbau zu erschaffen. Anders ausgedrückt: Wenn die Autobahnpolizei anrückt, um Verletzte zu finden, heißt das ja noch lange nicht, dass es den Überschlag des Autos wirklich gab, sondern lediglich, dass in der ganzen Geschichte eine wahre Basis (Verletzte auf der Autobahn) ist. Vielleicht war das Opfer auch tot, und die Reanimation fand nie statt, alles lief vielleicht ganz ohne Stress. Oder waren viel mehr Teilnehmer verwickelt, aber das gab die Schauspielermenge nicht her. Was auch immer dem Autor als Vorlage gedient hat, er verstand es gut, die Illusion zu erzeugen, sein Werk sei die Realität. Von der omnipräsenten Kamera, die selbst bei wildesten Schlägereien unter vermeintlichem Drogeneinfluss nie angegangen wird, sprechen wir lieber nicht erst. Mit anderen Worten: “echte Einsatzkräfte auf Basis echter Fälle” sagt im Grunde erstmal gar nichts über die Realität der dargestellten Handlungen aus.

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Schneller, höher, weiter – aber doch nicht ich!

Der Schauplatz zu Beginn des kleinen Einblicks in meine Gedankenwelt, der sich heute ergibt, ist ein Einkaufstempel im Januar, irgendwo in Deutschland, aber immer noch in meinem Aktivitätsradius. Es ergab sich, dass ich zeitkritisch etwas benötigte, was sich in der kurzen Zeit online nicht beschaffen ließ. Kein Am-Besten-vor-zwei-Minuten-Stress, aber ausreichend, um es innerhalb von 24 Stunden in den Händen zu halten – Elektronikware, Standardprodukte, zu bekommen in jedem Laden mit dem großen orangen Planeten oder dieser rot-weißen Hypnosespirale. Leider kein freistehender Markt, sondern Teil einer unsäglichen Einkaufsladenaneinanderreihung, die von Mode über Discounter und Gummibärchenspezialitäten (sic!) eben auch einen solchen Versorger für Waren des täglichen IT-Bedarfs bereithält. Mein Retter in der Not, wenn es mal schnell gehen muss, man aber nicht selbst zahlen muss, und aber heute noch eine Office-Lizenz braucht. Und der Auftraggeber aus unerfindlichen Gründen nicht online bestellen will.

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Die Nachfolger, gefangen in der Unendlichkeit

Mit schrecklicker Normalität beginnt jener Morgen – wie jeder dieser Gattung – Mittwoch früh, irgendwann vor um sieben, in einer öffentlichen Straßenbahn meines lokalen öffentlichen-Personennahverkehr-Betreibers. Gut betankt mit dem vergötterten Bohnengetränk, das sich jetzt in irgendeiner Weise noch bemüßigt fühlen sollte, das enthaltenene Aufputschmittel die enthaltene Start-in-den-Tag-Droge in die Blutbahn abzugeben. Bevor man überhaupt dazu kommt, daran zu denken, wie lange denn die Halbwertszeit von Koffein ist, und warum man eigentlich immer noch nicht im Großhandel die vergrößerte Variante der Familienpackung Kaffeepulver erworben hat, beginnt schon beim gemeinschaftlichen Warten an der Haltestelle mit Leuten, die man jeden Morgen sieht, aber nicht kennt – und unter Umständen gar nicht kennen lernen will – eine Form des Anfalls von gesellschaftskritischem Denken, oder zumindest ein Ansatz dessen; im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten vor 7 Uhr.

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Warum Weihnachten deplatziert ist

Es ist mitten im Dezember, viele nennen den aktuellen Zeitabschnitt auch “Adventszeit”. Rückblickend auf etwas länger vergangene Geschichte hängt das Ganze mit der Weihnachtsgeschichte zusammen, die sich für Interessierte in den Evangelien der Bibel, also im neuen Testament finden sollte. Aller Überlieferung nach fällt damit nun die Geburt Jesu’ auf das Ende des Jahres, und genau dieser Termin prägt bis heute, in einer Zeit-ist-Geld-Mentalität, das Zusammenleben zum Jahresausklang. Oder soll prägen, wenn man dem (medialen) Umfeld in einer automatisierten Welt glaubt.

Auf einmal hat man die gesamte Familie im Haus, überall blinkt und leuchtet es, die Rechteinhaber an “Last Christmas” haben Hochkonjunktur und jeder und alles predigt Besinnlichkeit, Frieden und Ruhe. Die Frage ist bloß, wo das denn dann umgesetzt werden soll. Mit Beginn der Jahresendurlaubszeit kehrt etwas mehr Entspannung, weniger Stress ein. Zeit, mal etwas runterzufahren und sich liegengebliebenen Dingen zu widmen. Man könnte mal wieder aufräumen. Oder alte Freunde anrufen. Wo soll da jetzt Platz für Weihnachten sein?

Besinnlichkeit, das ist dieses Jahr nicht drin. Die Stressmomente der Vorweihnachtszeit, die effektiv von der Zeit nach Weihnachten bis zur Zeit vor Weihnachten geht, hinterlassen ihre Spuren – wie soll man denn nun in 5 Tagen auf Harmonie umschalten? Es ist endlich Zeit, lange zu schlafen, mal wieder fotografieren zu gehen, die Arbeiten zu erledigen, die im neuen Jahr irgendwie fertig sein müssen (mit anderen Worten: Urlaubsbeseitigungsmaßnahmen) und dann kommt da noch der Anspruch, dass möglichst alle Angehörigen ein angenehmes Fest erleben möchten. Diesen Anspruch zu erfüllen ist Arbeit. Es beginnen Welten aufeinanderzutreffen, die sich in der gesamten Zeit zwischen dem letzten Fest und dem kommenden Fest auseinandergelebt haben – und dazwischen sind die Moralapostel, die “Harmonie” und “Besinnlichkeit” wie eine Monstranz vor sich hertragen.

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Lageveränderungen

Seit einer Weile ist es nun in die Mode gekommen, dass besonders junge Damen (und auch solche, die sich noch jung fühlen) als wichtigstes Werkzeug in der Straßenbahn ihr Smartphone mit sich führen. Schaut man früh in deren Gesichter, möchte man dieses Personen nicht näher kennen lernen, da das Gesicht ja bekanntlich der Spiegel der Seele sein soll – wenngleich auch bei ausreichend vielen Weiblichkeiten das eigentliche Gesicht von diversen Schönheitsverschlimmbesserungen verdeckt wird. Natürlich trifft das nicht auf alle Frauen zu, aber auf einen größeren Anteil derer, die ich häufiger sehen darf.

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Professionell und freundlich

Es ist nahezu jeden Morgen identisch. In der Straßenbahn wird der Kaffee in den Magen befördert, um einen annährenden Wachzustand zu erhalten. Die Blicke der anderen Fahrgäste und der Personen an den Haltestellen spiegeln besser als alles andere den Gefühlszustand der jeweiligen Personen wieder: Morgenstimmung irgendwo in Deutschland um etwa 7:00 Uhr in der Frühe. Mir ergeht es ähnlich; ich kann mich in dieser Gruppierung einreihen, ohne aufzufallen: Kopfhörer, des Deutschen liebstes Koffein-Heißgetränk und ein nichtssagender Gesichtsausdruck. Um in der Bahn nicht wieder einzuschlafen, muss meist die Kategorie “Neue Deutsche Härte” für einen Wachzustand bis zum Einsetzen der Wirkung des Koffeins sorgen, um dann abgelöst zu werden.

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